Der Einsatz von Twang im modernen Gesang

 

Wenn ich im Gesangsunterricht auf das Thema «Twang» zu sprechen komme, erlebe ich meistens sinngemäss eine dieser beiden Reaktionen: «Oh, Twang, cool, das ist doch dieses tolle Wundermittel!» Oder dann: «Uh, Twang, das ist doch dieser schreckliche Stimmklang, den ich sicher nicht in meiner Stimme will!».

Gleich vorneweg: Twang ist weder ein Wundermittel, noch muss er schrecklich klingen.

Wie auch sonst im Leben, ist erstens alles eine Frage der Dosierung. Die Dosis macht das Gift…

Und zweitens ist es auch immer eine Frage, was man genau unter dem Begriff «Twang» versteht… 

Es gibt Tonlagen im modernen Gesang bei denen der Einsatz von Twang gesangstechnisch gesehen optional ist und wo er eine Frage des persönlichen Geschmackes und des gewünschten Ausdruckes ist.

Aber: es gibt auch bestimmte Tonlagen und Lautstärken, bei denen Twang nicht mehr optional ist, sondern wo er zu einer gesangstechnischen Notwendigkeit wird, um unangestrengt die gewünschte Power zu erreichen.

Doch der Reihe nach:

Wofür braucht es eigentlich Twang?

Twang ist eine Gesangstechnik, bei der man bestimmte Frequenzen (Obertöne)  verstärkt, damit die Stimme tragfähiger klingt. Es ist also eine Verstärkung der Tragkraft und das bedeutet, ich brauche deshalb weniger eigentliche Stimmkraft. Twang ist also ein akustisches Phänomen. Es gibt übrigens Apps und Programme, mit denen man diese Obertöne gut sichtbar machen kann. Da sieht man den Unterschied deutlich, ob du einen Ton mit Twang oder ohne Twang singst. Aber glaub mir, auch ohne App hörst du deutlich, ob Twang im Ton drin ist, oder nicht…

Wenn du es tontechnisch betrachtest, gibst du deiner Stimme durch Twang mehr «Mitten», durch mehr HELLE durchdringende Frequenzen, dadurch brauchst du weniger Stimmkraft, weil die Stimme bereits Durchschlagkraft hat von der Frequenz her.

Terminologie 

Der Begriff «Twang» wird vor allem im modernen Gesang (Pop, Musical usw.) verwendet. Allerdings wenden Sänger spartenübergreifend diese akustischen Phänome beim Singen an. Auch ein klassischer Sänger braucht diese Technik, damit er mit viel tragender Frequenz über das ganze Orchester hörbar ist. Vielleicht nennt er es dann nicht «Twang», sondern er nennt es: «Metall», oder «Tragkraft», oder «Squillo», oder «Stimmsitz» oder…

Also ganz egal, welchen Begriff du verwendest: es geht immer um diese tragende Frequenz, welche aus mehreren gesangstechnischen Faktoren besteht.

Ich erlebe Sänger, welche bei der Erwähnung des Wortes «Twang» sofort nasal werden, weil sie das unter diesem Begriff assoziieren. Da brauche ich dann meistens das Wort «Metall» dafür oder «Komprimierung», welche für mich gute Synonyme sind. Wenn jemand eine negative Assoziation zum Wort «Twang» hat, verwende ich ebenfalls einen dieser Begriffe. Vielleicht hast du für dich sogar noch einen anderen Begriff… Der Einfachheit halber werde ich in diesem Artikel immer von «Twang» sprechen.

Wie wird Twang eigentlich erzeugt?

Resonanzräume kann man auf zwei Arten nützen: entweder kann man sie öffnen und gross machen, um einen offenen, grossen und vollen Klang zu erhalten.

Oder man kann sie komprimieren, um einen erhöhten Druck und damit eine erhöhte Power zu erhalten.

Beides hat natürlich seine Vorteile und seine Nachteile… Deshalb kombiniert man am besten die beiden Sachen zusammen…

Schau dir mal verschiedene Blasinstrumente an. Egal, ob du eine Trompete, ein Saxophon, eine Tuba, ein Waldhorn oder eine Posaune hast: Das Instrument ist am Anfang beim Mundstück immer zuerst eng und erst gegen Ende des Instrumentes wird der Durchmesser immer weiter. Das ist natürlich kein Zufall…

Und genau dieses akustische Phänomen können wir Sänger uns auch zunutze machen. Oberhalb der Stimmlippen komprimieren wir den Ton und weiter oben, öffnen wir unsere Räume. Und ja, wir brauchen beides!!!

Auch wenn ich es in der Praxis immer wieder erlebe, dass entweder nur «öffnen, öffnen, öffnen!» oder dann «twangen, twangen, twangen!» gepredigt wird.

Und nochmals zu den Blasinstrumenten: Ein Blasinstrument wie die Tuba, welche insgesamt ein grösseres Rohr hat, klingt eher weich und offen. Eine Trompete, welche insgesamt ein engeres Rohr hat, klingt einiges «schärfer». Dieses akustische Phänomen «weites Rohr = weicher Klang» und «verengtes Rohr = schärferer Klang» können auch wir Sänger uns zunutze machen.

Was denkst du, weshalb in einer Mietwohnung nicht Trompete geübt werden darf? Auszug Mieterverband.ch: «Nicht erlaubt sind jedoch sehr laute Instrumente wie Schlagzeug oder Trompete»

Das «Twang-Phänom» lässt grüssen…

Wichtige Anmerkung: Zur Erzeugung von Twang gehört allerdings dein ganzes Instrument dazu, denn was deine Resonanzräume machen beginnt bereits bei deiner Körperhaltung und Körperspannung, deiner Atmung, deinem «Breath Support», deinem Stimmlippenschluss…. Damit dieser Artikel nicht zu lang wird, gehe ich auf all diese wichtigen (!) Faktoren hier nicht näher ein.

Ein paar Worte zum Thema «Verengung» («Komprimierung»)

Wenn ich über das Thema «Komprimierung» des Kehltrichters spreche, spüre ich oft die Skepsis, ob das wohl wirklich eine gute Sache sei… Haben viele doch – wie oben schon erwähnt» immer nur «öffnen» gelernt und die «offene Kehle» ist heilig.

Und ja, dem stimme ich voll bei, das Gefühl im Hals soll unbedingt frei sein und unangestrengt! (auch beim twangen!!!)

Und obwohl es für viele, die mit Twang noch nicht vertraut sind, auf den ersten Blick paradox erscheint: Gerade die Verengung, die beim Twang erzeugt wird, führt zu diesem freien und unangestrengten Gefühl!

Ich nenne es ebenfalls auch augenzwinkernd das «Twang-Paradox». (haben wir also schon 2 davon…)

Würde ich z.B. in hohen Lagen «offener» belten, ist das sehr, sehr anstrengend! 

In anderen Worten: Twang ist eine positiv fühlbare Komprimierung, die einem von Druck befreit. Sie führt zu sehr viel Power ohne Anstrengung. 

Und sie führt NICHT zu einem (negativen) Engegefühl im Hals.

Falls ein solches unangenehmes Engegefühl beim Twangen entsteht: siehe Abschnitt weiter unten «Die häufigsten Fehler bei der Verwendung von Twang».

Ich verwende übrigens auch meistens die Begriffe «Metall» oder «Komprimierung», die viel positiver besetzt sind, als «Verengung».

Bild für Komprimierung: ein Laserstrahl ist sehr gebündeltes Licht. Du kannst gebündelt mit «komprimiert» ersetzen. Weshalb ist ein Laserstrahl so stark? Weshalb reicht er so weit?…

Wichtig; wie eingangs erwähnt ist die Komprimierung der eine Teil, die Öffnung der andere Teil. Wir brauchen beides!!!

Kompensationen

Kennt jemand die richtige Twang-Technik noch nicht, kommt es sehr häufig vor, dass die Sängerin oder der Sänger intuitiv irgendwo zu komprimieren versucht. Dazu gehören: Klang in die Nase drücken, Kiefer festhalten, Zunge viel zu hoch, Knödeln usw.

Vorurteile über Twang

Eines der grössten Vorurteile über Twang ist, dass Twang in der Nase erzeugt wird. So drücken Sänger dann ihren Stimmklang in die Nase, was selten schön klingt. Und ja, es gibt tatsächlich diverse Beispiele von Sängern, welche nasal singen. Ich empfehle aber sehr, Twang ohne «näseln» zu erzeugen!

Woher kommt dieses Missverständnis, dass Twang in der Nase erzeugt wird?

Einerseits vom Klang her selber: Twang klingt zwar sehr weit vorne in der Maske, aber er wird korrekterweise nicht durch die Nase produziert.

Andererseits kommt dieses Vorurteil sicher auch von der Bezeichnung selber: wenn man das Wort «Twang» googelt, landet man ziemlich schnell bei «näseln», «nasaler Klang» usw.

Ich wiederhole: Produziert wird Twang oberhalb der Stimmlippen durch eine Komprimierung des Kehltrichters.

Ich finde übrigens, dass das Wort «Twang» sehr lautmalerisch beschreibt. In welche Richtung der Klang geht.

Twang und Lautstärke oder: «Tragkraft statt Stimmkraft!»

Es gibt 2 verschiedene Arten von Lautstärke.

  1. Ein Ton kann laut sein, weil er voll und fett und gross ist. (Stimmtechnisch gesehen mit viel schwingender Masse der Stimmlippen)
  2. Oder er kann laut sein, weil er durchdringend, scharf und metallisch ist. (viel tragende Frequenz)

Experiment Klavier:

spiele einen tiefen Ton laut. Welches der beiden obigen Elemente überwiegt?

spiele einen hohen Ton laut. Welches der beiden obigen Elemente überwiegt?

Natürlich hat es beides drin, aber eines der Elemente überwiegt immer klar – ausser bei den Tönen im mittleren Bereich. 

Es ist ein akustisches Gesetzt, dass bei hohen Tönen das zweite Element «Metall» überwiegt. Denke das einmal mit ein paar verschiedenen Instrumenten durch, z.B. Saxofon usw.

Wir Sänger sind die einzigen Wesen, welche dieses Naturgesetz immer mal wieder aushebeln möchten… Nicht wenige versuchen bei den höchsten Tönen immer noch gleich voll und massig zu klingen wie weiter unten. Das wird anstrengend… Damit du mich richtig verstehst: es geht nicht darum «dünn» zu klingen, es ist immer alles eine Frage der richtigen Mischung. Aber es ist normal, dass höhere Töne «schlanker» und etwas «metallischer» werden. Beim Klavier und bei uns… 😊

Wenn ich das Element des «Metalls», oder eben des Twangs einsetze, klingt es, habe ich Power – und dadurch brauche ich viel weniger Kraft!!!

Versuche also auch beim Einsatz von Twang nicht einfach «laut» zu denken, sonst landest du plötzlich bei «voll und fett und massig» und gibst zu viel Stoff. Sondern denke eher: «metallisch», fokussiert, komprimiert… Tragkraft statt Stimmkraft!

Wenn du «weniger Stoff gibst», kommst du oft besser in den Twang und hast dadurch mehr Power!

Gibst du zu viel Druck, hast du dadurch weniger Twang und weniger Power.

Das ist etwas, was auf den ersten Blick unlogisch oder paradox erscheint, was aber so funktioniert. Ich brauche dafür auch augenzwinkernd den Begriff «Twang-Paradox».

Beispiele von Sängerinnen, welche oft viel Twang in ihrer Stimme verwenden

Dazu gehören unter vielen anderen: Amy Winehouse, Lady Gaga, Rihanna, Adele, Anastacia, Christina Aguilera usw.

Songbeispiele zum Anhören:

  • «Fire under my feet» von Leona Lewis
  • «A million reasons » von Lady Gaga
  • « Fighter » von Christina Aguilera
  • « Valerie » von Amy Winehouse
  • «I’m outta love» von Anastacia
  • «Diamonds» von Rihanna
  • «Bird set free» Sia
  • «I can’t stand the rain» Tina Turner
  • «I will survive » Gloria Gaynor
  • « Steamy windows » Tina Turner
  • « Flowers » Miley Cyrus

Wann setze ich Twang ein?

Wann und wie viel Twang eingesetzt wird, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • LAUTSTÄRKE / POWER: Wie laut oder wie leise will ich singen? (z.B. auch in der Tiefe) Je lauter, desto mehr Twang!
  • EMOTION: Welchen Ausdruck und Stimmklang will ich mit meiner Stimme rüberbringen? (z.B. zärtlich oder genervt)
  • TONHÖHE: Es gibt Tonhöhen, auf welchen Twang optional ist, und es gibt solche, auf welchen es eine gesangstechnische Notwendigkeit ist.
  • REGISTER: Man kann sowohl in der Bruststimme, wie auch in der Kopfstimme Twang einsetzen. Aber: singe ich mit meiner Frauenstimme beispielsweise ein c’’ mit meiner Belting Voice, MUSS Ich Twang einsetzen. Singe ich den gleichen Ton in der Kopfstimme, ist Twang optional, je nach gewünschtem Ausdruck.
  • BELTING: Bei hohen Belting-Tönen ist Twang ein gesangstechnisches MUSS!
  • MIKROFON: singe ich mit oder ohne Mikrofon? Hast du beispielsweise einen tiefen Song und singst ihn mit Mikrofon, musst du keinen Twang verwenden. Musst du ihn hingegen ohne Mikrofon singen, brauchst du ein bisschen Twang für deine Tragkraft, damit du nicht anfängst zu drücken.
  • KOMBINATION: Das Zusammenspiel der obigen Faktoren, entscheidet über die verwendete «Twang-Dosis».
  • Immer, wenn du etwas mit einem gewissen «Biss» ausdrücken möchtest, sei das bei eher «aggressiven» Songs (von der Textaussage her) oder bei Uptempo-Songs, die genügend Power brauchen.

Belting Voice und Twang

Ich möchte dem Thema Belting Voice einen separaten Abschnitt widmen, da Twang beim Belten SO wichtig ist. Je höher der Belting-Ton, desto mehr MUSS der powervolle Stimmklang durch Twang erzeugt werden und nicht durch Kraft und Masse. Das Erlernen von Twang ist also für alle Sängerinnen, welche ihre Belting Voice gesund einsetzen möchten, ein absolutes MUSS!

Ich werde immer wieder mal gefragt: «Ist Twang Belting?» Ich würde dazwischen kein «gleich» setzen. Twang ist aber Bestandteil einer guten Belting-Stimme. Und je höher der Belting-Klang, desto mehr Twang braucht es. (Schau mein Video auf Youtube: «was ist eigentlich der Unterschied zwischen Twang und Belting?»)

Belting Level 1 (Sprechstimmhöhe): Twang ist optional, sondern wird je nach gewünschter Emotion, gewünschtem Sound, gewünschter Lautstärke (mit oder ohne Mikrofon) eingesetzt.

Belting Level 2 (Rufstimmhöhe): Falls du nicht weich und leise singen möchtest, sondern mit Power belten möchtest, brauchst du in diesem Level unbedingt schon eine grosse Portion Twang!!! (betrifft v.a. Sängerinnen, die sonst immer sehr weich singen)

Belting Level 3 (Extremtöne): Im Level 3 ist Twang NICHT MEHR OPTIONAL, wenn du beltest!!! Hier wird die Stimme sehr metallisch. Wenn man es sich nicht gewohnt ist, hört es sich zuerst sehr ungewohnt an. Viele müssen sich zuerst daran gewöhnen, nicht «zu schön» und nicht «zu offen» zu singen.

Wie erzeuge ich Twang?

Wie bereits am Anfang erwähnt:

Zur Erzeugung von Twang gehört dein ganzes Instrument dazu, denn was deine Resonanzräume machen beginnt bereits bei deiner Körperhaltung und deiner Körperspannung, deiner Atmung, deinem «Breath Support», deinem Stimmlippenschluss, deinen Emotionen usw.….

Die Gesangsmethode CVT (Complete Vocal Technique) erklärt Twang als «Verengung des Vokaltrichters», also eine Komprimierung oberhalb der Stimmlippen.

Das würde ich auch so unterschreiben, aber für mich gehört noch einiges mehr dazu. (siehe auch oben)

Zusätzlicher zur Komprimierung braucht es auch Raum und Öffnung, damit der komprimierte Ton sich entfalten kann.

Wie aktiviere ich Twang in meiner Stimme?

Wenn ich dich beauftrage: «spann deinen Bizeps an», kannst du das willkürlich tun.

Die oben erwähnte Komprimierung deines Vokaltrichters kannst du aber nicht einfach willkürlich tun.

Deshalb macht es Sinn, Twang über bestimmte Silben, die ihn automatisch aktivieren, zu erlernen. (zuerst mit Übungen)

Oder du kannst über bestimmte Emotionen und Hilfsvorstellungen vorgehen, die du aus dem Alltag kennst und bei denen Twang automatisch entsteht. 

Mit der Zeit wirst du dieses Twang-Gefühl so gut kennen, dass du es «auf Abruf» erzeugen kannst.

Und damit ich es nochmals erwähnt habe: auch deine Körperhaltung, deine Körperspannung, dein Breath Support, deine Resonanzräume, deine Mundstellung und dein Stimmlippenschluss haben einen Einfluss auf deinen Twang.

Twang-Aktivierung mit hellen Twang-Silben für Einsteiger/innen

Wenn du Twang-Anfängerin bist, macht es Sinn, zuerst über die HELLEN Vokale (ä, e usw.) zu arbeiten, um in diese helle, metallische Klangfarbe zu kommen.

  • Yeah, yeah, yeah! (that’s cool!) American denken, NICHT in die Breite gehen
  • Nyeah!
  • Again n’ again n’ again – genervt
  • Nay, nay, nay – kleines trotziges Mädchen, welches «Nein» sagt. (Aussprache wie englisch: «neigh»)
  • Ay, ay, ay, ay, ay… (Vorstellung : tratschende Nachbarinnen)
  • Nä, nä, nä, nä, nä, nä! (wie hänseln früher in der Schule)
  • Gwüa gwüa gwüa – die kleine freche Ente! (nicht zu sehr in die Nase drücken!)
  • Eyyy! (wie «Eyy, brother!»)
  • Hey! (Aufpassen «H»)
  • Wäh! (etwas Abstossendes) (super für Level 3) NICHT GESUNGEN

Schau auf YouTube mein Video: «Die 10 besten Silben, um Twang in deiner Stimme zu aktivieren»

Übungen für Fortgeschrittene

Die hellen Vokale haben aber auch Nachteile, da sie gerne «eng», «flach» und «breit» werden und dadurch nicht voll klingen.

Wenn du vertraut bist mit der hellen, metallischen Klangfarbe, kannst du einen Schritt weitergehen und anfangen mit dunklen Vokalen wie «ò» zu arbeiten, die du dann aber sehr hell und metallisch einfärben musst.

So hast du dann das Beste aus beiden Welten: dem Raum des dunklen Vokals mit der hellen, metallischen Klangfarbe.

Das ist etwas, was die Jodler machen: Sie jodeln in der Bruststimme auf «ò», machen das aber sehr hell und tragend, da sie ja ohne Verstärkung singen.

Wenn du Sängerinnen wie z.B. Christina Aguilera, Lady Gaga usw. genau zuhörst, wirst du merken, dass auch sie beim Belten zusätzlich zum Twang immer diesen schönen Raum haben.

Übungen für dunkle Vokale mit Twang:

  • Übung «Love» rufen (Dreiklang abwärts, mit Bewegung und Gesicht)
  • Spontane Lautäusserung «uou» (freudiges Erstaunen, danach Übung im gleichen Gefühl) (5 Töne abwärts)
  • Zuerst Phrase jodeln auf «jololo…», danach am gleichen Ort den Text platzieren (nur bis Level 2)

Schau auf YouTube mein Video: «Mit diesem unkonventionellen Trick klingt dein Twang schöner»

Ein paar Twang-Übungen

  • Um langsam ein Gefühl für Twang zu kriegen, kannst du eine Übungsfolge nehmen und sie immer 1x mit Twang und 1x ohne Twang durchsingen (tiefe oder mittlere Lage)
  • Hast du in einem Song eine Stelle, die mehr Twang erfordert, du kommst aber nicht so gut rein in dieses Gefühl? Dann mache diese Stelle zuerst auf einer Twang-Silbe, welche dir gut liegt, durch und erst danach mit dem Text,

Emotionen, um in den Twang-Klang zu kommen

Oft helfen auch emotionale Bilder, um den Twang-Klang zu kommen. Das ist von Schülerin zu Schülerin unterschiedlich.

Das können Bilder sein wie «frech», «rebellisch», «selbstbewusst», «angriffig», «agressiv», «genervt», «schnoddrig», «rotzig» usw.

Sicher ist es nie lieb, sanft, schön oder nett und brav.

Singt man gewisse Phrasen / Songs « zu schön» haben sie nicht die emotionale Aussage, die erforderlich wäre.

Oder im Extremfall auch mal «singe hässlich», wenn eine Sängerin immer sehr auf Schönklang bedacht ist… (v.a. im Level 3)

Gerade für sehr hohe Belting-Töne (Level 3) kann die Vorstellung von etwas «hässlicher singen» oft sehr hilfreich sein. (obwohl es dann gar nicht «hässlich» klingt, aber man kommt weg von seiner gewohnten Stimmgebung)

Hilfsvorstellungen, um in den Twang-Klang zu kommen

  • Hände verschränken (damit du nicht zu viel Stoff gibst)
  • Genervtes Selbstgespräch (Level 1)
  • Nörgelsummen (Level 1)
  • Klang ein bisschen wie Hexe (und nicht die Fee…)
  • Trompete (Level 3)
  • Weinendes, quängelndes Baby (Level 3)
  • Wäääh! (Level 3)

Anekdote aus meinem Unterrichtsalltag:

Ich habe den ganzen Tag an der Hochschule unterrichtet. Genau an dem Tag hatten wir mit meiner Pop-/Rock-Klasse das Thema Twang am Vormittag. Auch am Nachmittag tauchte das Thema Twang im Einzelunterricht gleich mehrmals auf. (was aber kein Zufall ist, da ich ja dort Belting unterrichte und Twang bei hohen Belting-Tönen ein Muss ist…) Jedenfalls war es ein ziemlicher «Twang-Tag»… Und die Reaktionen auf dieses Thema sind ja immer sehr spannend: Faszination über das Thema Twang… Erstaunen, wie leicht hohe Töne plötzlich sind… Schwierigkeiten in diesen Klang und weg vom «schön Singen» zu kommen usw. Jedenfalls hatten diese erwachsenen Studentinnen und Studenten in dem Moment sicher das Gefühl, dass sie gerade etwas Neues gelernt haben, oder dass sie etwas Neues trainieren müssen.

Am Abend hatte ich Besuch von einem jungen Paar, welches sein Baby dabeihatte, welches erst ein paar Monate alt ist, Das Baby war nicht so zufrieden und hat uns eine Stunde lang «Twang vom Feinsten» präsentiert. Du weisst, wie durchdringend Baby-Geschrei sein kann, nicht wahr? Gegen diesen Power-Twang hatten wir mit unseren Sprechstimmen kaum eine Chance. Es war wirklich laut,…

Ist es nicht faszinierend, dass jede und jeder von uns als Baby den Twang-Klang mal ziemlich gut beherrscht hat?

> Frage dich doch mal, weshalb das als Baby so gut geklappt hat… (Schau dazu mein Video auf YouTube mein Video: «Diese 8 Dinge kanns du von Babies über deine Belting Voice lernen»)

Die Twang-Persönlichkeit

Ich erlebe in der Praxis immer wieder, dass es Schülerinnen gibt, welche den Twang-Klang sehr leicht finden und andere tun sich sehr schwer damit. Meistens ist das verbunden mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur. Wenn jemand eben eher auf der Seite «lieb und nett und brav» ist, fühlt sich dieser neue Klang oft sehr ungewohnt an. (bis man plötzlich den Spass daran entdeckt…)

Twang hat eine bestimmte «Energie», zu der man sich hingezogen fühlt, oder eben nicht.

Eine Schülerin von mir, die immer eher sanfte Balladen mit weicher Stimmgebung gesungen hat, kam kürzlich in die Stunde mit «Bird set free» von Sia, was sehr untypisch für sie war. Sie möchte diesen Song singen. Als ich sie gefragt habe, was ihr daran gefällt, hat sie genau diese «rebellische» Energie beschrieben, die Sia mit ihrer twangigen Stimme ausdrückt. Dieser Song hat zu einer neuen Lebensphase dieser Schülerin gepasst und deshalb hat sie sich davon angezogen gefühlt. Früher war sie eher von «schönen, netten, braven» Klängen angezogen.

Der «Twangometer»

Dieses Wort ist eine Erfindung von mir… Ich verwende es im Unterricht, um die unterschiedlichen Dosierungen von Twang zu benennen. Du kannst dir den Twangometer wie einen runden Thermometer vorstellen, welcher eine Skala von 1 – 10 hat. 1 wäre kein Twang und 10 sehr viel Twang. Und dazwischen alle Abstufungen.

Das kann beispielsweise so ablaufen: wir hören uns einen Song an und ich frage meine Schülerin «mit wie viel Twang singt diese Sängerin?» und die Antwort von ihr ist z.B. «sie singt auf Stufe 8». Und ich frage zurück: «auf welcher Stufe hast du vorher diese Phrase gesungen?». Und die Schülerin stellt fest: «ich war vielleicht auf einer 4». Das heisst, der Twangometer kann gut als Hilfsvorstellung eingesetzt werden um die Dosierung von Twang zu «messen».

Anmerkung: Wie bereits erwähnt, ist Twang manchmal optional und manchmal ein gesangstechnisches Muss… Beim ersten Fall kann die Gesangsschülerin natürlich so viel oder so wenig Twang einsetzen, wie es ihr persönlich gefällt.

Schau auf YouTube mein Video zum Thema «Twangometer»

Twang und Nasenrachenraum – Komprimieren UND öffnen…

Wie ich einleitend geschrieben habe, geht es immer um Komprimierung UND Öffnung…. Ein Blasinstrument beispielsweise hat auch immer zuerst die Komprimierung beim Mundstück und danach die Öffnung, damit der Ton sich entfalten kann und Raum kriegt.

Wenn du nur komprimierst, klingt das dann auch so….

Gute Sängerinnen haben beide Elemente drin. Komprimierung UND Raum.

Anmerkung: Ganz hohe Belting-Töne sind sehr komprimiert, «gehen durch das Nadelöhr», da fühlt es sich ein bisschen weniger offen an.

Twang und Mundstellung

Um den metallischen Twang-Klang erzeugen zu können, ist auch deine Mundstellung von entscheidender Bedeutung. Bereits ab der Mittellage (Frauenstimme ca. ab a’) darfst du langsam «in den Biss kommen».

Da «Biss» immer wieder falsch verstanden wird: du kannst deinen Mund vereinfacht gesagt auf drei verschiedene Arten öffnen:

  1. Ausschliesslich nach unten
  2. In die Breite
  3. «nach oben»

Was «der Biss» nicht ist, ist in die Breite zu singen mit festem Kiefer!

Vorstellung, um in den Biss zu kommen:

  • Nimm den Daumen oder Zeigefinger und platziere ihn hinter deinen oberen Schneidezähnen. Jetzt sollte auch dein Kiefer locker sein… (sonst beisst du auf den Daumen)
  • Vorstellung von «Nase etwas kräuseln»
  • Fauchen
  • Tiger
  • Nach oben öffen

Video: schau dir die Mundstellung all dieser Sängerinnen an: https://www.youtube.com/watch?v=O58jNi65PJg

Twang und Mikrofon

Ein weiteres Beispiel aus dem Alltag: ich war kürzlich in einem relativ lauten Restaurant unterwegs, wo ein (mexikanischer?) Sänger mit spanischer Gitarre singend von Tisch zu Tisch ging – mit ziemlich durchdringender Stimme. Er war im ganzen Restaurant sehr gut zu hören, obwohl es laut war und obwohl er unverstärkt sang. «para bailar la bamba…» Weshalb wohl?… Er hatte unglaublich viel Twang in seiner Stimme…

Ich erlebe immer wieder, dass Sängerinnen Songs OHNE Mikrofon nachsingen, welche im Original MIT Mikrofon eingesungen wurden. Nun singt diese Sängerin im Original vielleicht ganz ohne Twang und luftig, aber sie macht das ganz leise, da sie ein Mikrofon hat. Die Sängerin, welche den Song nachsingt, will den gleichen luftigen Sound nun plötzlich viel lauter nachmachen… Und drückt…

Da ist dann ohne Mikrofon oft eine Portion mehr Twang gefragt, damit du gut durchkommst und nicht ins Drücken kommst…

Twang und Vokalfarbe / Vokalanpassung

Twang klingt metallisch. Mit welcher Klangfarbe assoziierst du «Metall»?

Mit hell oder dunkel?…

Genau, Twang hat eine helle Klangfarbe. Deshalb sind auch die meisten Twang-Übungen mit hellen Vokalen: Yeah, again usw.

Um bei hohen Tönen gut im Twang zu bleiben, ist es wichtig, dass du die dunklen Vokale wie z.B. ò (call, fall usw.) heller färbst und dir die dunklen Vokale nicht in den Hals rutschen.

Dazu kannst du z.B. die gleiche Tonfolge zuerst auf hellen Vokalen singen, bis du im Twang bist. Dann kannst du die gleiche Tonfolge mit dunklen Vokalen singen und stimmlich am gleichen Ort bleiben.

Beispiel: Shine bright like a diamond / Just a touch of love

Wenn du in einem Lied ein Wort hast mit einem dunklen Vokal, welches dir nicht gut liegt: ersetze es zuerst mit einem hellen Vokal, bis du die Platzierung gefunden hast und dann färbe das ursprüngliche Wort entsprechend ein…

Anmerkung: Bei Sängern, welche ihre Twang-Platzierung bereits gut gefunden haben, kann es sogar manchmal von Vorteil sein mit dunklen Vokalen Übungen zu machen, da diese etwas mehr Raum haben. Helle Vokale haben die Tendenz manchmal zu breit zu werden, was hinderlich sein kann. Wie immer geht es um die richtige Mischung…

Twang und Register

Obwohl Twang sehr häufig im Zusammenhang mit Belting, also «bruststimm-dominantem» Singen verwendet wird, kann man auch in der Kopfstimme Twang einsetzen.

Twang wird oft bei hohen «kopfstimm-dominanten» Tönen (oberhalb der Belting-Lage) eingesetzt.

Hier ein paar Beispiele: https://www.youtube.com/watch?v=yUUka8V1pjE&t=63s

Bei der Männerstimme wäre das dann analog ein hoher Falsett-Ton mit viel Twang, wie es z.B. im Hardrock / Heavy Metal oft eingesetzt wird.

Twang und Tiefe

Obwohl meistens von Twang im Zusammenhang mit hohen Tönen gesprochen wird, kannst du diesen auch bei tiefen Tönen anwenden, um mehr «Biss» zu erzeugen. Z.B. wenn du ohne Mikrofon singst, oder wenn deine Tiefe etwas stabiler sein soll.

Die häufigsten Fehler bei der Verwendung von Twang

  • Klang in die Nase drücken, den Twang in der Nase zu erzeugen. (> mit «Nasentest» kontrollieren.)
  • Da Twang sehr powervoll klingt, haben viele die Tendenz mit zu viel Druck zu twangen. Es braucht wenig Luftdruck! Eher das Gefühl von «Klang zu mir ziehen, einsaugen», «genervtes Selbstgespräch» . Weniger Druck führt fast immer zu mehr Twang!!!

 

  • Lautstärke: Denk dir Twang nicht zu laut und massig, Weniger ist oft mehr, was die Lautstärke betrifft. Die Power beim Twang wird durch den metallischen und durchdringenden Klang erzeugt, nicht durch viel Masse und grossen Klang.
  • Atemfluss stauen: Da Twang eine Komprimierung ist, erlebe ich oft, dass Sänger gleichzeitig ihren Atemfluss stauen. NICHT STAUEN, fliessen lassen.
  • Zu breite Mundstellung und zu breiter Klang: Der helle Klang von Twang verleitet viele, zu sehr in die Breite zu singen von der Mundstellung und vcm Klang her. Breit heisst aber eben nicht komprimiert. Denk dir eher die «Biss»-Mundstellung, so als würdest du deinen Zeigefinger hinter die oberen Zähne platzieren. NICHT, als würdest auf etwas beissen.
  • Nur Twang (Komprimierung) verwenden und keine Öffnung nach oben. Falls du sehr viel Twang einsetzt und nichts an Öffnung im oberen Bereich, wird der Stimmklang sehr komprimiert, metallisch, scharf, je nach dem «plärrend» und es fehlt ihm an Offenheit und Klang. Es braucht beides!!! Wenn ich mit Gesangsschülern an Twang arbeite, gehe ich beim Einsingen immer so vor: Zuerst Übungen, um Resonanzräume öffnen, v.a. den Nasenrachenraum aktivieren. Und erst DANACH die Übungen für Twang / Komprimierung. Der Sound ist einfach so viel schöner…
  • Klangideal und Gewohnheit. Gerade Sänger/innen, welche sehr weich, luftig und sanft singen und sehr häufig auch von der Persönlichkeit eher sanft – oder auch schüchtern sind – haben anfänglich Mühe mit dem Klang. Sie sind es sich einfach nicht gewohnt, dass ihre Stimme so klingt. Oder es klingt ihnen zu «aggressiv», weil sie sich diesen lieben, schönen Klang gewohnt sind. Da hilft es am Anfang entweder zu imitieren und in eine Rolle zu schlüpfen, z.B.: «Ich bin jetzt Amy Winehouse-Imitatorin». Oder oft hilft auch, dass man bewusst mal «hässlich» singt. Nicht selten klappt es beim erwähnten Typ Sängerin, wenn ich sage: «sing mal richtig «grusig» (schweizerdeutsch für «hässlich»)
  • Vokale und Vokalfarbe. Wenn du deine Vokale zu sehr öffnest und mit zu dunkler Vokalfärbung singst, wird es mit Twang nicht klappen. Die Klangfarbe soll sehr hell und metallisch sein. Auch bei dunklen Vokalen…
  • Negative Assoziation zum Wort Twang. Verwende dann das Wort «Metall» oder «Komprimierung» oder «durchdringende Frequenz» oder….
  • Ungünstige Lage: Falls du noch keine oder nicht viel Erfahrung mit Twang ist, erlernst du diesen am besten zuerst in einer nicht zu hohen Lage, aber auch nicht in einer zu tiefen Lage. «Finding the sweet spot» lautet hier noch das Motto…

Schau auf YouTube meine Videos «Twang; die häufigsten Fehler und was du dagegen tun kannst» (Teil 1 und 2)

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